Dienstag, 4. April 2006

Byron Bay - die ersten Hippies von Australien

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Die ersten Hippies von Australien

Hier begann die alternative Bewegung des fünften Kontinents, und bis heute hat sich nicht viel verändert: In Byron Bay lebt eine bunte Mischung aus Künstlern, Berufshippies, New Agers und Surfern - und Backpacker genießen das Flair.

Byron Bay - Ein lauer Wind streicht durch die Haare. Im Zwielicht der Morgendämmerung reiben sich manche den Schlaf aus den Augen, andere gähnen, sie hatten wohl eine kurze Nacht am Strand. Es ist 5.51 Uhr in der Frühe, eigentlich keine Zeit, zu der Rucksackreisende in Australien schon das Bett verlassen haben. Doch hier am Leuchtturm von Byron Bay im Norden von New South Wales gibt es einen guten Grund dafür. Und fast jeder der Teens und Twens auf der Aussichtsplattform hält eine Kamera in der Hand, um ihn einzufangen: den Sonnenaufgang am östlichsten Punkt des Kontinents.

Das Erlebnis in aller Herrgottsfrühe sorgt aber nicht alleine dafür, dass jährlich zwei Millionen Touristen in die Region Northern Rivers an der Grenze zu Queensland reisen; 200.000 davon kommen aus dem Ausland. Byron Bay und seine Nachbarn locken mit sportlichen Herausforderungen und stillen Buchten, einem sehr grünen Hinterland voller Nationalparks und nicht zuletzt mit einem relaxten Lebensgefühl. Die Region gilt als Hochburg einer Alternativkultur, zu der viel Esoterik und der Kampf gegen die Welt des Kommerzes gehören.

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Außerdem scheint in Byron Bay oft die Sonne: Die Northern Rivers liegen im Übergang zwischen Tropen und kühleren Breiten und sind ein Ganzjahresziel - in Australien gilt das längst nicht für jeden Ort. Da wundert es kaum, dass Byron Bay zuallererst aufgeführt wurde, als die Zeitung "The Australian" im Februar die zehn Kommunen des Kontinents benannte, in die sich ein Umzug am meisten lohnen würde.

Die Uhr zeigt inzwischen 6.04 Uhr - fünf Minuten bis zu dem Moment, auf den alle warten. Die Wolken über dem Leuchtturm reflektieren bereits das Licht der Sonne. Es wird nicht viel geredet, ein Mann in Shorts und Badelatschen zieht genüsslich an der ersten Zigarette des Tages. Und dann halten wie auf Kommando zehn junge Leute gleichzeitig ihre Digicams auf Augenhöhe, denn nun taucht er auf aus den Fluten: der gelbrote Feuerball. Schon kurz darauf interessiert er aber nur noch wenig, denn einer der Frühaufsteher hat Delfine nahe der Küste entdeckt. Auch die Schweizer Backpacker, die am Fuß des Leuchtturms Brote schmieren, stürzen zum Rand der Aussichtsplattform.

"Die Leute hier denken grün"

Bis in die siebziger Jahre war Byron Bay eine typisch australische Kleinstadt. In Farmen und Schlachthöfen verdienten die Männer ihr Geld. Dann kam der Tourismus - und entwickelte sich ganz anders als an der 100 Kilometer weiter nördlich gelegenen Gold Coast in Queensland, wo ein Hochhaus neben dem anderen für die Urlauber gebaut wurde. "Hier wird es nie so werden wie an der Gold Coast", ist die Hotelmanagerin Sarah Johnston aus Byron Bay überzeugt: "Die Leute hier denken grün, sie wählen so und handeln auch entsprechend."

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Auch deshalb ist Byron Bay so beliebt bei den Backpackern, die mit Bullis, alten Kombis, Reisebussen oder per Anhalter an der Ostküste unterwegs sind. Wenn mittags ein Überlandbus in den Ort rollt, stehen die Werber für billige Unterkünfte und Ausflüge schon Schlange an der Haltestelle. Oft heißt es jedoch für Neuankömmlinge als Erstes: ab an den Strand. Der Main Beach liegt nur ein paar Schritte vom Ortskern entfernt. Kinder spielen im Sand oder lassen die Pazifikwellen gegen ihre Beine klatschen. Unter den hohen Bäumen an der Promenade dösen derweil Urlauber, die den Schlaf nachholen, den Partys und Pubs in der Nacht zuvor verhindert haben.



GMS
Byron Bay: Surferparadies und Aussteigerparadies im Norden von New South Wales
Wer ausgeruht ist und den Tag lieber mit Aktivitäten verbringt, muss teils tief in die Tasche greifen: 145 Dollar (87 Euro) kostet zum Beispiel ein halbstündiger Tandemflug mit einem Gleitschirm über dem Tallow Beach. Dafür gibt es aber phantastische Ausblicke auf den Kilometer langen Sandstrand, die Surfer und den 1901 gebauten, 118 Meter über dem Meer stehenden Leuchtturm. 50 Kilometer weit auf dem Meer ist Australiens stärkstes Leuchtfeuer nachts zu sehen. Die Optik mit den Spiegeln dreht sich auch tagsüber - stünde sie still, würde sie durch den starken Brennglaseffekt rasch Buschbrände in den Hügeln im Hinterland von Byron Bay auslösen.

Delfine beim Kajak-Surfen

Solche Einzelheiten erfährt, wer mit John "Planko" Plankovich und seinem Kumpel "Greeny" zum 60 Dollar (36 Euro) teuren "Kajak fahren zu den Delfinen" aufbricht. In offenen Booten paddeln die Teilnehmer vom Strand aus los und müssen erst mal durch die starke Brandung - T-Shirt und Hose sind schon nach den ersten Metern nass. Manchmal verwandelt "Planko" das Zweierkajak in ein Surfbrett, setzt sich im richtigen Moment auf den Kamm einer Welle und lässt sich und den Gast auf die Küste zutreiben. Delfine sind nicht immer zu sehen, Spaß macht der Ausflug aber auch dann.

Im Broken Head Nature Reserve, das von einem Parkplatz im Süden Byron Bays aus erreichbar ist, führen schmale Pfade durch den Küstenregenwald, nach ein paar hundert Metern geht es nur weiter, indem über die glatten Felsen am Wasser geklettert wird. Der Lohn für die Mühen sind einsame Buchten wie Kings Beach und Brays Beach. Ein Ausflug in den Nightcap Nationalpark im Hinterland von Byron Bay hat den Wasserfall Minyon Falls zum Ziel, der rund 100 Meter tief in eine Schlucht stürzt. Wie stark die Region auch landwirtschaftlich genutzt wird, zeigt der kleine Ort Dunoon, der sich stolz "Macadamia-Hauptstadt Australiens" nennt. Die Plantagen mit den Nusssträuchern dehnen sich hier aus, so weit das Auge reicht.

Besucher, die von der Alternativszene Australiens in Byron Bay noch zu wenig gespürt haben, müssen auf jeden Fall weiter fahren nach Nimbin - ein kleiner Ort zwischen grünen Hügeln, der seit dem 1973 hier veranstalteten "Aquarius-Festival" sein Image als Aussteigerdorf kultiviert. Hippieveteranen mit langen Bärten und abgewetzten Hosen, barfuß laufende Kinder mit Rastalocken, Frauen in Batikröcken mit langen, verfilzten Haaren - das sind die Menschen, die in Nimbin das Ortsbild beherrschen. Die Geschäfte verkaufen Duftkerzen, Massageöle und Second-Hand-Kleidung, mehrmals am Tag stoppen Kleinbusse mit Backpackern aus Byron Bay, die Nimbin-Tagesausflüge gebucht haben.

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Ein kleines, chaotisches Museum erinnert in Nimbin an die Anfänge der Alternativbewegung, gleich gegenüber setzen sich die Betreiber der "Hemp Embassy" ("Hanf-Botschaft") für die Freigabe von Haschisch ein, mit einem acht Meter langen Joint aus Stoff über der Ladentheke.

Warnung vor den gefährlichen Riffen

Buchstäblich zu den Höhepunkten eines Aufenthalts in der Region Northern Rivers gehört eine Besteigung des 1156 Meter hohen Mount Warning. Der Rest eines einst gewaltigen Vulkans erhielt seinen Namen 1770 vom britischen Entdecker James Cook, der den Berg als Warnung vor den Riffen an der Küste verstand. Die Erstbesteigung im Jahr 1868 dauerte noch dreieinhalb Tage, heutige Touristen schaffen den 4,4 Kilometer langen Weg vom Parkplatz zum Gipfel in etwa zwei Stunden. Ganz oben reicht der Blick bis zum Meer, falls der Berg nicht mal wieder den Wolkenfänger gibt.

Nach so viel sportlicher Anstrengung bietet Byron Bay am Abend die passende Erholung. Die Kneipen sind voll, im "Beach Hotel" wird in der von Bierdunst durchwaberten Luft zu Rockmusik getanzt. Jongleure zeigen auf der Straße ihre Künste, junge Frauen lassen sich ein paar Schritte weiter die Oberarme mit Henna-Tattoos verzieren. An der Promenade hat jemand eine Gitarre ausgepackt, vor den in Strandnähe geparkten VW-Bullis und Kombis der Backpacker laufen die Gaskocher auf Hochtouren: Nudeln mit Tomatensauce gibt es hier fast überall.

Von Christian Röwekamp, gms
SPIEGEL ONLINE - 04. April 2006, 10:30
URL: http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,409651,00.html
Byron Bay

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